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Rezension: "Kryptozän" von Pola Oloixarac

Zu Beginn der 80er Jahre treffen sich eine Antrophologin und ein Flugzeugingenieur im brasilianischen Porto Alegre. Sie verlieben sich und bekommen einen Sohn: Cassio Liberman Brandao de Silva wird geboren. Er wächst in Argentinien auf und entdeckt schon früh seine Leidenschaft für Computer. 

Cassio gehört zu den ersten Hackern Lateinamerikas. Er kann neue Sprachen erfinden, Banken zerstören und ganze Heere unsichtbarer Viren erschaffen. Nur mit zwischenmenschlichen Beziehungen hat er kein Glück. Nach seinem Schulabschluss studiert er Physik und arbeitet danach als Programmierer in einem Start up. Der Job unterfordert ihn. Das Angebot eines Hackerrivalen kommt da genau richtig. In Patagonien soll Cassio die Vermischung von genetischen und digitalen Daten erforschen. Doch schon bald merkt er, was wirklich hinter dem Projekt steckt. 

Pola Oloixarac mischt in Kryptozän Bildungsroman mit Science-Fiction. Wir sehen Cassio wie er gegen Tierquälerei demonstriert, sein Studium beginnt und sich in der Hackerszene einen Namen macht. Aus diesen verschiedenen Lebensabschnitten formt die Autorin eine Biografie des Hackers Cassio. Sie selbst lebt in Buenos Aires. Kryptozän ist ihr zweiter Roman und ihr erstes Buch in deutscher Übersetzung. Darin entwirft sie einen Überwachungsstaat, der an George Orwells „1984“ und Juli Zehs „Corpus Delicti“ erinnert. 

Der Roman ist in drei Zeitebenen geteilt. Vom Kennenlernen zwischen Cassios Eltern über die Entwicklung seiner Hackerkompetenz hin zum Forschungsprojekt in der Zukunft. Zwischendrin gibt es aber auch ein paar unverständliche Zeitsprünge, die die Handlung sprunghaft vorantreiben. Inhaltlich hat sich Pola Oloixarac vor allem auf die Einflüsse konzentriert, die den Hacker umgeben. Von seiner genauen Tätigkeit als Hacker erfährt man nur wenig. Lange Schachtelsätze und viele Fachbegriffe aus der Biologie und Informatik, machen es allerdings oft schwer der Handlung zu folgen. Die Hauptgeschichte um Cassio wird immer wieder von einem zweiten Erzählstrang durchbrochen. Darin strebt der Forscher Niklas Bruun Ende des 19. Jahrhundert ebenfalls nach der Verschmelzung von Mensch und Technik. Die Verbindung erschließt sich aber bis zum Ende nicht deutlich. Man stellt sich immer wieder die Frage, worauf die Autorin hinaus will. Auch bleibt einem Cassio als Protagonist fremd, da sein einzelnen Lebensabschnitte nur grob angeschnitten werden. 

Kryptozän ist ein Buch das viele Ideen aufgreift, diese aber nur unzureichend beleuchtet. Themen wie die Staatsüberwachung, die argentinische Hackerszene oder das ominöse Wissenschaftsprojekt werden in den Raum geworfen ohne konkret zu Ende geführt zu werden. Eine Verbindung zur Umwelt und was es für das Leben der Menschen bedeutet, wird nicht gezogen. Das ist Schade, denn die Ansätze der Autorin sind vielversprechend. So ist Kryptozän aber nur ein Roman den man lesen kann, aber nicht muss.

"Kryptozän" von Pola Oloixarac | Wagenbach Verlag | 20 EURO